Moin zusammen,
es ist nun doch schon wieder etwas her, seitdem ich meinen letzten Beitrag veröffentlicht habe, ich hoffe allerdings, die nächsten Wochen über wieder aktiver sein zu können. Weiter geht es mit einem der für mich bisher packendsten Ereignisse.
Es war ein sonniger Samstag im späten August und ich war bereits früh wach, da mir an diesem Tag einiges an Programmpunkten bevor stand. Nach einem leckeren Frühstück bei Kathryn, der Großmutter der Familie, ging es für uns (Janice, Kathryn, Bob und mich) in das knapp anderthalb Stunden entfernte Conneaut in Ohio. Diese Fahrt war nicht nur deswegen besonders, da es während meines Aufenthaltes der erste Trip durch drei verschiedene Bundesstaaten (New York, Pennsylvania) war und Werder zudem gerade einen Sieg in der ersten Runde des DFB-Pokals einfuhr, sondern weil wir ein sogenanntes Reenactment besuchen würden.

Einer der amerikanischen Jeeps
„Was ist denn ein Reenactment?“, war eine meiner ersten Fragen an meine Gasteltern, die mich bereits an meinem ersten Tag gefragt haben, ob ich Interesse hätte, mit ihnen mitzukommen. Ein Reenactment ist die Nachstellung historischer Ereignisse, in meinem Fall soll der D-Day im Zweiten Weltkrieg gezeigt werden. Was es genau damit auf sich hat, sollte ich spätestens in Conneaut erfahren. Unsere erste große Aufgabe in der Stadt war es nämlich, einen guten Parkplatz ausfindig zu machen. Nach kurzer Absprache waren wir uns schnell einig, dass Kathryn und ich am besten schonmal an die frische Luft sollten, also stellten wir uns an den Straßenrand, um dort auf Janice und Bob zu warten. Bemerkenswert war hier definitiv, dass in so gut wie jeder Einfahrt mehrere Autos parkten, teilweise gegen eine kleine Gebühr für die Anwohner. Nach gut zwanzig Minuten Wartezeit bekam ich eine Nachricht von Janice, da die beiden bereits am Eingang zum Veranstaltungsgelände waren. Wir machten uns nun also auch auf den Weg.

Und plötzlich wird aus Ohio die Normandie..
Wie auf einem Festival gab es zunächst ein Bändchen für den Eintritt, wer wollte konnte hier auch direkt eine kleine Spende da lassen. Anschließend war ich dann doch zunächst etwas verwundert über den Aufbau des Geländes. Zu meiner linken Seite befand sich das Feldlager der britischen Truppen, auf der rechten Seite haben Einheimische einige Stände und Zelte mit Souvenirs jeder Art aufgebaut. Auf unserem Weg zum Strand, wo die Szenen nachgespielt werden sollten, begegneten uns bereits einige verkleidete Soldaten inmitten der Menschenmassen.

Noch gut eine Stunde und im Vordergrund ist kein freier Platz mehr zu finden
Am Strand angekommen haben wir schnell einen Sitzplatz auf der kleinen Tribüne ergattern können, Janice und ich entschieden uns allerdings, noch weiter auf dem Gelände herumzulaufen. Nicht weit entfernt vom Strand war der Eingang zum Lager der deutschen Soldaten, in dem wir uns nun auf die Suche nach Ian begaben, da er als deutscher Soldat am Reenactment beteiligt war. Am Eingang fielen mir zunächst einmal die vielen historischen Fahrzeuge auf, die von einigen Interessierten begutachtet wurden. Weiter im Lager bereiteten sich einige der Freiwilligen auf ihren Einsatz vor, zu meinem Erschrecken in wirklich wahnsinnig detailgetreu aussehenden Uniformen und dem dazugehörigen Equipment.

Selbst die Fahrräder waren voll ausgerüstet
Einen solchen Moment muss man erstmal verarbeiten, wenn man sieht, dass diese Leute Kleidung und Gegenstände tragen, die in Deutschland aufgrund mehrerer Tatsachen wie zum Beispiel bestimmter Symbole verboten wären. Nach unserer Runde durch das Lager unterhielten wir uns noch mit dem Koch der Division, der an seiner traditionellen „Gulaschkanone“ Suppe kochte. Es wurde nun aber auch Zeit, wieder zu den Plätzen zurückzukehren, da sich auch die Soldaten bereits auf den Weg machten.

Der Koch erklärt uns die „Gulaschkanone“
Nachdem sich alle Freiwilligen an ihre Positionen auf dem Gelände begeben und wir auch Ian an uns vorbeimarschieren gesehen haben, konnte es nun auch losgehen. Zunächst flogen ein paar alte Flugzeuge über unsere Köpfe hinweg und teilweise sogar nur knapp über dem Strand. Die komplette Szenerie wurde mit pyrotechnischen Mitteln ausgestattet, um hier und da für einen lauten Knall mit weißem Rauch zu sorgen. Spätestens ab dem Moment, als die amerikanischen Soldaten mit ihren Booten am Strand gelandet sind und sich nun hinter den Dünen versteckten, konnte man in immer geringeren Zeitabständen mit einem Knall rechnen.

Im Vordergrund die deutschen Soldaten, während im Hintergrund die Amerikaner auf dem Vormarsch sind
Kurze Zeit nach dem Erscheinen der Amerikaner begann die größte Offensive des Tages. Im hinteren Teil des Strandes fand ein Gefecht zwischen Panzern und anderen Fahrzeugen statt, während bei uns im Vordergrund die Infanterie zu sehen war. Die ersten deutschen Soldaten wurden besiegt und blieben bis zum Ende der Vorführung an ihrer Stelle liegen. Nach gut 45 Minuten ging das Spektakel mit dem Sieg der allierten Truppen gegen die Achsenmächte am Omaha Beach unter dem Applaus der Zuschauer zu Ende.

Die Amerikaner haben die Stellung übernommen, die Schlacht ist bald zu Ende
Ich muss ehrlich sagen, dass ich vor diesem Samstag der ganzen Veranstaltung eher skeptisch entgegengeblickt habe, da ich mir einfach nicht vorstellen konnte, wieso man solche Ereignisse aus dem Zweiten Weltkrieg „nachspielen“ sollte. Im Anschluss an das Geschehen wurde mir dann jedoch klar, wie respektvoll mit dem Hintergrund des Reenactments umgegangen wird. Es wurden während der Veranstaltung vermehrt die Kriegsveteranen gewürdigt und den Gefallenen gedacht, außerdem konnte an mehreren Stellen Geld für den guten Zweck gespendet werden. Jeder, egal ob Teilnehmer oder Besucher, ging absolut höflich miteinander um, außerdem standen alle für die Nationalhymne und eine Rede des damaligen Präsidenten Franklin D. Roosevelt auf. Jeder Freiwillige half nach dem Geschehen mit, den Müll vom Feld zu räumen und auch die historischen Requisiten wieder sorgfältig zu verstauen. Die Reenactments sind ein fester Bestandteil der amerikanischen Kultur, egal ob es nun der Bürgerkrieg oder der Zweite Weltkrieg ist, der nachgestellt wird. Persönlich sehe ich die Veranstaltungen nun als eine gute Art und Weise, die Geschichte nicht zu vernachlässigen oder gar zu vergessen, da doch gerade der Zweite Weltkrieg ein Kapitel in unserer Weltgeschichte ist, welches sich hoffentlich nie wiederholen wird.

Wenn man nicht wüsste, dass es der Eriesee ist, könnte es auch glatt der Atlantik sein
Das Reenactment war auf jeden Fall eine Veranstaltung, die zum Nachdenken angeregt hat.
Bis bald,
Euer Leander