“Office Congressman Steve Chabot, how may I help you?“
Diesen Satz sage ich momentan sehr, sehr häufig. Das Telefon zu hüten ist unsere Hauptausgabe als Praktikanten im Congress. Und man muss beim ersten Klingeln sofort abheben – das ist neu für mich, in Deutschland habe ich gelernt, mindestens bis zum zweiten zu warten, um den Anrufer nicht zu schocken. Meistens ist ein Wähler unseres Distrikts in Ohio oder ein anderer Angestellter des Hills am Telefon. Die Wähler äußern ihre Bedenken bezüglich aktueller Themen oder Präsident Trump, Speaker Polosi und weiteren Personen, welche in den amerikanischen Medien präsent sind.
Ich sollte dazu sagen, dass es häufig frustrierte, unzufriedene und wütende Anrufer sind. Ich höre mir deren Kommentare für den Abgeordneten an, schreibe sie auf, frage nach Name und Adresse, und anschließend übertrage ich alles in ein Google Docs Dokument. Ob dieses jemals vom Congressabgeordneten gelesen wird, weiß ich nicht. Doch es ist ein Grundrecht jedes amerikanischen Bürgers, dem gewählten Abgeordneten seine Meinung mitzuteilen. Falls Personen von außerhalb unseres Districts anrufen, verweise ich höflich darauf, dass ich leider nichts machen kann.
Außerdem sortiere ich physikalische und elektronische Mail. Briefe werden von einer auswärtigen Firma geöffnet, sortiert und eingescannt, dadurch ist eigentlich alles elektronisch. Dennoch erhalten wir die Originale, falls man etwas prüfen muss. Die elektronische Mail wird von uns Praktikanten sortiert, und von einem Kommunikations-Mitarbeiter beantwortet. Falls ein Gesetzentwurf im Text erwähnt ist, suchen wir das Gesetz, und legen es unter dessen Thema und der entsprechenden Pro/Contra Meinung an, zum Beispiel „HEALTH: H.B. 325 …. (SUPPORT)“.
Der andere, und etwas interessantere Teil meiner Arbeit ist der Besuch von Briefings, Meetings und Hearings im Komplex. Auf dem Foto war ich mit meiner Kollegin auf einem Press-Walk-Through einen Tag vor der State of the Union Rede von Präsident Trump. Denn wir mussten sicherstellen, dass unser Congressabgeordneter einem bestimmten Weg folgt, um alle Termine wahrnehmen zu können, ohne von Menschenmassen oder der Presse aufgehalten zu werden.
Abgesehen von zwei oder drei unbezahlten Praktikanten hat jeder Abgeordnete ca. acht weitere Mitarbeiter. Nach Wichtigkeit aufsteigend: Scheduler, Staff Assistant, Press Aide, Legislative Correspondent, Legislative Counsil, Legislative Assistant, Legislative Direktor und Chief of Staff.
Der Congressman hat das größte Büro, das zweitgrößte gehört allen anderen Mitarbeitern zusammen (jeder hat eine kleine Kabine mit zwei oder drei Bildschirmen), es gibt einen Empfangsraum und das kleinste Büro gehört dem Chief of Staff.
Das ist prinzipiell für alle 435 Abgeordnete ungefähr gleich, dazu kommen 100 Senatoren. Theo aus meinem Jahrgang arbeitet für einen Senator und erzählt immer ziemlich interessante Storys. Die Senatoren sind in der Rangordnung höher als die House Representatives, deshalb haben sie zum Beispiel jeweils einen Angestellten für besondere Zwecke (meistens wird das genutzt, um einen Chauffeur anzustellen).
Das klingt jetzt nach enorm viel Personal, welches die sechs große Bürogebäude auf dem Hill bevölkert. Doch man muss dazu sagen, dass diese 535 Personen für die Politik eines riesigen Landes zuständig sind. Die Fläche der USA ist fast so groß wie der Kontinent Europa, Deutschland passt 27,5 mal in das Land. Die Bevölkerung von über 327 Millionen Menschen wird durch die Abgeordneten vertreten.
Einen Landtag, wie wir ihn für unsere Busndesstaaten haben, gibt es hier auch, jedoch in anderer Form. In fast jedem Staat gibt es ein House und einen Senate, diese bilden die „State Legislatur“, der Gouverneur des Staates ist mehr oder weniger deren „Präsident“. In den meisten Staaten ist diese Arbeit jedoch nur Part Time, das bedeutet, die Leute arbeiten nur ein bis drei Monate als Politiker und haben einen weiteren Job für den Rest des Jahres. Das alleine zeigt schon, dass die State Legislature nicht denselben Stellenwert hat, wie der Congressman und die beiden Senatoren des Distrikts.