Nach vier Wochen mit meiner neuen Stelle kann ich sagen, dass es sich anfühlt, als wäre ich mal wieder in einer Art „Alltag“ angekommen. Das hatte ich seit meiner Zeit im College, ende November des letzten Jahres, nicht mehr. Arbeiten, ins Fitnessstudio gehen, Papierkram erledigen, meinen Road Trip planen, über meine berufliche Zukunft nachdenken, etwa mit Freunden unternehmen, oder Downtown gehen – das ist auch schon mein ganzer Alltag.
Wie ein typischer amerikanischer Supermarkt in einer Kleinstadt hat Albertsons sieben Tage die Wochen geöffnet, allerdings nicht 24 Stunden, wie in dichter besiedelten Arealen, sondern nur von 6 bis 24 Uhr. Das bedeutet, ich arbeite an drei bis sechs Tagen von Montag bis Sonntag, in Schichten zwischen vier und acht Stunden, welche von morgens um fünf, bis nachts um 24 Uhr im Plan stehen können. So ist es keine Überraschung, dass meine Arbeitszeit fast täglich variiert. Da ich Teilzeit angestellt bin, arbeite ich in einer Woche nur 15 Stunden, in einer anderen dafür 40. Ausserdem bin ich die neueste Mitarbeiterin, so habe ich natürlich den geringsten Einfluss auf den Schichtplan, welcher immer mittwochs für die folgende Woche veröffentlicht wird.
Diese Art von kurzfristiger Flexibilität im Job hatte ich noch nie, und ich muss sagen, dass es deutlich härter ist, als eine regelmäßige Arbeitszeit. Gleichzeitig verdient man meist weniger, da das vor allem in Restaurants, Geschäften mit langen Öffnungszeiten und Call Centern nötig ist. Ich fühle mich schon wie ein typischer Amerikaner der unteren Mittelschicht, welcher sein ganzes Leben nach seinem Job ausrichtet, und von Paycheck zu Paycheck lebt, ohne groß an die Zukunft denken zu können.
Nachdem ich kurz mit dem Store Director gesprochen hatte, ging meine Anstellung sehr schnell voran, schon zwei Tage später hatte ich den Job. Dann ging jedoch der Prozess erst richtig los, als ich sämtliche notwendigen Dokumente online ausfüllen musste. Die persönlichen Daten sind kein Problem, doch schon bei der Bankverbindung wurde es kompliziert. „Die Nummern stehen an dieser Stelle auf deinem Check“, erklärt mir das System. Schade nur, dass ich noch nie einen Check benutzt habe. Doch mit etwas Hilfe von Google gelingt mir das Ausfüllen der meisten Unterlagen.
Nur als es um die sehr komplizierte föderale Steuerrückforderung ging, war ich verloren. Neben dem Reisepass und dem Visa waren zwei weitere Dokumente, und viel Kreativität meinerseits nötig, um grünes Licht zu erhalten. ich weiß bis heute nicht, was ich da nun alles falsch ausgefüllt habe. Der arme Jeremy hat fast eine Stunde versucht, mir mit Erklärungen von Google zu helfen, zum Beispiel um herauszufinden, welche Art von Legal Alien ich nun genau bin. Irgendwann hat er aufgegeben und ist für eine Weile verschwunden. Als ich ihm schließlich bescheid gegeben hatte, dass ich endlich überall grünes Licht habe, meinte er nur, dass er heute sehr viel über verschiedenste Dokumente gelernt hat – haha.
Als ich mit dieser Sache durch war, bekam ich einen großen Stapel Papier – die fünfzig-seitige Firmenpolitik. Diese sollte ich lesen und befolgen, und das wars. Kein Arbeitsvertrag, sowas gibt es hier nicht, ich habe also keinerlei Bindung, ich kann täglich und fristlos gekündigt werden oder kündigen. Das fühlt sich schon seltsam an. Dadurch hab ich auch keine Ahnung, wie die Bezahlung aussieht, oder wie viel bzw. ob ich überhaupt Anspruch auf Urlaub habe.
Anschließend hat es ewig gedauert, bis ein bestimmtes Dokument ankam, wodurch ich jeden Morgen einen Anruf bekam, dass ich erst am nächsten Tag anfangen kann. So ging das fast eine Woche, doch dann hatte ich endlich meinen ersten Tag – bestehend aus sechs Stunden Computertraining. Das war ziemlich hart, da der Konzern natürlich versucht, neuen Mitarbeitern im Laden möglichst schnell beizubringen, wie die Kasse funktioniert, und was man sonst beachten muss. Außerdem musste ich einiges bezüglich verschiedenster Gesetze verstehen und lernen, zum Beispiel der Verkauf von Alkohol, oder das Verhalten bei einem Raubüberfall. Ich sah jeweils ein Video und musste anschließend einen Test machen, bei dem ich zwischen 50 und 80 Prozent richtig haben musste, um zu bestehen.
Meine offizielle Stellenbezeichnung ist Front-End-Manager, aber eigentlich bin ich nur an der Kasse, also Cashier. Damit ging es dann am nächsten Tag, das war ein Samstag, direkt los. Ich hatte am Anfang ziemliche Probleme, vor allem mit dem Obst und Gemüse, da ich die Nummern nicht auswendig kann, und wenn man nachschauen will, ohne die englische Bezeichnung zu kennen, hat man keine Chance. Mir war auch nie bewusst, wie viele verschiedene Sorten Äpfel oder Gewürze ein mittelgroßer Supermark anbietet. Immerhin das habe ich dazugelernt, seit ich angefangen habe.
Test bezüglich Obst und Gemüse – wer weiß die Antwort?
Mein Cheat Sheet für die häufigsten Nummern der nicht zu scannenden Produkte im Supermarkt.
Staatliche Einkommenssteuer gibt es in Washington State nicht, aber föderale Steuer, und wir haben eine Mehrwertsteuer von 10 %. Wohingegen zum Beispiel Oregon (links an der Küste unter Washington) 9,9 % staatliche Einkommenssteuer und 0 % Mehrwertsteuer hat (es gleicht sich mehr oder weniger aus in den teureren Regionen der Küsten).
Dieser Truck gehört einem stolzen Amerikaner (recht üblich hier).
Ein sonniger Tag in Seattle (Waterfront).
Und ein typischer Regentag, ich war im Kerry Park, um die (leider sehr graue) Skyline zu fotografieren.